Roman
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Und jetzt ist Schluss von Christine Lehmann
Ruth ist seit einanhalb Stunden tot und hält von dieser Warte aus Rückschau auf ihr Leben. Ihre Kindheit als Scheidungskind in den dreißiger Jahren in Halle, ihre zwangsweise Flucht aus der DDR in den Westen, wo sie Markus trifft, der ebenfalls eher unfreiwillig die DDR verlassen musste. Ihre Ehe die in Genf beginnt und die beruflich bedingten Umzüge, Markus ist Journalist, um schließlich über Hamburg in Stuttgart zu laden. Markus beruflichen Erfolge, während Ruth, die ihr Studium abgebrochen hat, darunter leidet, auf Haushalt und Kinder reduziert zu sein, nicht wirklich gesehen zu werden. Die beiden Töchter, das ständige Kochen und ihrem Mann den Rücken freihalten, sind ihr lange nicht genug. Auch das Kontakthalten mit der Ostverwandschaft ist in einem geteilten Land schwierig und die Missverständnisse, die aus den verschiedenen Lebensgrundlagen resultieren, belasten doch sehr.
Christine Lehmann erzählt die Geschichte von Ruth, Markus, Hanna und Eva anhand von Erinnerungen, denn es unschwer zu erkennen, dass die Familie und vor allem der Lebensweg von Hanna, dem der Autorin gleicht. Chrstine Lehmann gibt Ruth mit der Möglichkeit ihr Leben zu zählen, eine Bühne, die sie im Leben nicht hatte. Das angenehme ist, dass sie, was bei dieser Autorin auch nicht zu erwarten war, nicht im „Mama war die Beste, Liebste, Wunderbarste“ Sumpf watet, sondern versucht der Frau gerecht zu werden, in dem sie sie nicht als ideal der Mutterschaft schildert, sondern als Person, die voller Widersprüche, so einigen nicht so angenehmen Seiten und voller Neugier und einem klaren Blick auf die Welt ist.
Dadurch, dass Ruths Retrospektive durch Briefe und Brieffragmenten der Familie Ost und West, von Zeitgenossen und Freunden und Eltern und Töchtern angereichert ist, entsteht ein sehr komplexes Bild der letzten 90 Jahre.
Ein unbedingte Leseempfehlung!
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Professor Lear von Joachim Zelter
Da dachte man immer, er wäre aus der Universität und aus dem akademischen Leben nicht wegzudenken! Große Werke wurden nach seiner Verabschiedung von Professor Helmut Eiger erwartet, der vor Plänen für seinen Ruhestand strotzt. Doch es kommt anders. Der akademische Betrieb kommt gut ohne ihn zurecht. Sein langerwartetes Platonbuch wird nicht in gewohnter Form rezeptiert und weitere Buchprojekte über Schmerz und Tod mehr oder weniger höflich angelehnt. Das Telefon steht still, die Schreibmaschine klappert immer seltener und die Worte kommen ihm mehr und mehr abhanden. Erst die Worte, dann die Erinnerung. Der Abschied aus der akademischen Welt entpuppt sich als Abschied aus dem Leben, denn eine private Welt, an der er andocken konnte, hat er nicht. Er hat jeden Kontakt verloren, den zu seiner Enkelin, von der wohl keine akademischen Weihen zu erwarten sind, und auch den zu seiner Frau, deren Leben und soziales Umfeld von seiner Stellung abhing.
Joachim Zelter beschreibt, vielleicht gerade durch den sachlichen Ton, zu tiefst berührend, wie ein Riese stürzt. Wie sein Abstieg ins Vergessen und Vergessenwerden sich auf sein Umfeld auswirkt. Für die Enkelin bewirkt es eine Befreiung von den Lesitungsansprüchen des Großvaters. Die Ehefrau wiederum, verliert den Mann, an dessen Seite sie viele Jahre gestanden hat und dessen Stellung auch ihr Leben bestimmte. Es ist ein schmales Buch, doch ein Schwergewicht, dass sich trotz der Ernsthaftigkeit der Thematik leicht lesen lässt. Unbedingt empfehlenswert.
Professor Lear von Joachim Zelter, Kröner Verlag, ISBN 978-3-520-76601-4, Preis: 22,00 €
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Absinth von Michael Kleinherne
Marius und Maria sind seit fünf Jahren ein Paar. Die meiste Zeit lebten sie recht harmonisch miteinander. Kinder haben sie nicht, dafür einen Hund. Während ihres Toskana Urlaubs bemerkt Marius, dass sich Maria von ihm entfernt, dass sie ungeduldiger mit ihm ist. Auch nach ihrer Rückkehr geht sie mehr und mehr ihre eigenen Wege. Als sich dann noch in Marias Familie ein tragischer Vorfall ereignet, verschlimmert sich die Lage weiter. Marius ist hilflos und versucht für Maria da zu sein, doch sie entfernt sich mehr und mehr.
Michael Kleinherne lässt Marius die Geschichte seiner Beziehung zu Maria im Präsenz und in der Rückblende erzählen. Soweit also die Geschichte, die eine durchaus spannende hätte sein können, wären die Charaktere nicht so schwach gezeichnet und die Dialoge nicht so hölzern.
Der Autor: Michael Kleinherne, Jahgang 1964, freier Autor, Journalist und Dzent für Kreatives Schreiben in Bayern.
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Academia von Karen Rouff
Als Leiterin des Medienzentrums einer californischen Universität, wird Eve Braintree schnell klar, dass ihre Arbeit, unter den gegebenen Umständen, fast jeder machen könnte und das wahrscheinlich besser als sie. Um sich in dem Gewirr von Intrigen, Korruption und der Akquise von Drittmitteln nicht zu verirren, ist es mehr und mehr nötig, das Eve den Teil von sich, den sie „die Hochstaplerin“ nennt auf den Plan zu ruft. Eines ist jedenfalls klar, um Bildung geht es eher weniger in den Bildungsstätten einer neoliberalen Welt.
Karen Rouff, ihres Zeichen Präsidentin des deutschen Ablegers der Stanford Universität, nimmt die Leser:innen mit in die Welt der Universitäten und das aus verschiedenen Blickwinkeln. Einmal ist da Eve, die sich immer mehr verbiegen muss, um sich zu behaupten, dann ist da Dewey ihr Kater, der der Meinung ist, dass der Campus ihm gehört, jedenfalls alle in so 50 cm Höhe. Karen Rouff lässt nichts aus, nicht die Schickimicki Wellnessoase Betreiber, die sich im Aufsichtsrat des Colleges breit machen, um sich mit sanften Pfötchen soviel Geld wie möglich unter den Nagel zu reißen, noch die schmierigen Jungs, die sich aufmachen erfolgreiche Ehemalige um Spenden zu erleichtern. Alle Charaktere, auch die der Nebenfiguren, sind gut ausgearbeitet und lebendig und der scheinbar leichte satirische Erzählton hat es in sich. An so mancher Stelle, bleibt einem das Lachen im Halse stecken, nämlich dann, wenn einem klar wird, dass die großen und kleinen Schweineren im Bildungssystem keine pure Erfindung sind.
Auch dieses Buch hat eine Triggerwarnung. Allerdings eine die mir sehr gefällt:
Sollten Sie befürchten, dass es in diesem Buch um Sie gehen könnte – geht’s eher nicht.
Sollten Sie hingegen sicher sein, dass dem nicht so ist – möglich wär’s doch.
Eine unbedingte Leseempfehlung.
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Schreiben – Selbstbild mit Tier von Andreas Niedermann
Der junge Andreas Niedermann aus der Schweiz will Schreiben. Das ist eigentlich das einzige, was der sicher weiß … und dass er aus der Schweiz wegwill. Doch wie jeden jungen Autoren treibt auch ihn die Frage um: Schreiben? Wie geht das eigentlich? Und wovon lebt man, bis man von Schreiben leben kann? Geld ist eines der Grundprobleme, denn wenn es da ist, hat es die Tendenz schnell wieder weg zu sein. Wenn man in Jobs unterwegs ist, die man um das Geldes wegen annimmt, ist man schnell geneigt zu kompensieren, was ausgesprochen gut mit Alkohol geht. Niedermann gerät in einen Kreislauf von Zeiten in denen er Schreiben könnte, aber nicht kann, weil er Geld braucht und kompensieren muss oder eben in denen er schreibt, sehr frugal lebt und die Salami zum Brot schon mal geklaut wird. Doch er schafft es, schließlich ist sein erstes Buch da. Sauser und es ist ein Erfolg! Doch nichts ist für immer und alles beginnt von vorn.
Andreas Niedermann ist ein Garant für ein absolutes Lesevergnügen. So auch hier! Ihn in der Retrospektive auf seinem Weg zum Schreiben und seinen beruflichen Schlenkern, da war viel Schönes dabei – Almhirte, Bühnenbauer, Kinovorführer, Bauarbeiter – begleiten, war mir eine große Freude. Man kann wirklich nicht sagen, dass Niedermann sich und seine Leser schont, dafür gehr er viel zu offen, humorvoll und teils schonungslos mit seinem jüngeren Ich um. Gerade das macht aber seinen Reiz aus.
Das mit dem Tier im Titel, erklärt sich beim Lesen des Buches, was ich nur wärmstens empfehlen kann.
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Das Haus über dem Fjord von Kristin Valla
Nach dem Tod ihrer Mutter kehrt Elin in ihren Geburtsort zurück um das Haus aufzulösen und zu verkaufen. Es wird eine Entdeckungsreise in die Vergangenheit, auf der sie erkennt, dass bei weitem nicht alles so war, wie es ihr damals erschien. Mittlerweile lebt sie in Oslo, ist Journalistin für ein Modemagazin und denkt, sie hätte sich von dem kleinen Ort an der nordnorwegischen Küste und von dem Haus über dem Fjord gelöst. Doch auch das ist nicht ganz so, wie sie vermutet. Ihre ganze Jugend war von einem dramatischen Ereignis überschattet. An einem Tag wurden ihr Vater und ihre Brüder von einem Erdrutsch verschüttet und ihre Mutter versank in Trauer.
Das Haus über dem Fjord ist der dritte Roman von Kristin Valla und die Autorin weiß eine Geschichte aufzubauen und zu erzählen. Der Aufbau ist einfach und überschaubar. Es gibt Rückblenden in die Vergangenheit, die mit dem abgeglichen werden, was Elin während ihres Aufenthaltes und ihrer Suche erfährt. Doch das Buch hat auch ein Manko. Im letzten Viertel, Elins Nachforschung über die Vergangenheit ihres Vaters, haben sie in ein französisches Dorf geführt, und ab hier beginnt Kristin Valla die Geschichte zu überfrachten. Hätte sie der Versuchung widerstanden, diesen Twist einzufügen, wäre es ein rundherum gelungenes Werk geworden.
Das Haus über dem Fjord
Roman
OT: Ut av det blå
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen320 Seiten
ISBN: 978-3-86648-649-2
Erscheinungsdatum: 20.09.22
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Sonntag
Heute haben wir den Ausklang der Woche mit einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse gefeiert. Viktor hatte einiges von der Hanfernte zu berichten und morgen werden wir ausprobieren, ob das mitgebrachte Rezept für Hanfmilch funktioniert. Wenn, haben wir eine nachhaltige Alternative zu den Cashews, die wir bis jetzt nutzen, weil die Milch daraus einfach am besten schmeckt. Ich werde berichten. Wir sind ja schon lange auf der Suche nach einem Ersatz, denn das Cashew ökologisch gesehen, egal ob bio und fairgehandelt, nicht das Ideale ist, ist uns auch klar. Mal ganz abgesehen, dass wir zwar bio kaufen, uns aber fairgehandelte nicht leisten können. Aber ich bin ja eh ein Hanffan und verwende diesen in den verschiedensten Variationen, unter anderen als Mehl, Protein, Samen oder Tee. Außerdem nehme ich regelmäßig CBD von wegen meiner bipolaren Störung und bin noch nie so gut klargekommen. Überhaupt wäre Hanf eine gute Alternative für die diversen Rohstoffprobleme, die auf uns zukommen. Aber dazu ein anderes mal mehr.
Ansonsten steht heute nichts ungewöhnliches auf dem Programm. Nächste Woche haben wir einiges auf dem Zettel, aber das meiste davon ist einfach schön. Treffen mit Freunden, einige Arbeitstermine und Cannabissprechstunde. Auch will ich ein wenig weiter mit Rezepten herumspielen.
Heute Morgen habe ich endlich angefangen Saruj von Bilbo Calvez zu lesen. Das Buch habe ich schon einige Zeit, bin aber bis jetzt noch nicht dazu gekommen. Auch darüber werde ich berichten.
Habt einen schönen Sonntag.
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Wütende Bärin von Ingebjørg Berg Holm
Njål hat sich von Sol getrennt, die Mutter werden wollte, aber es nicht konnte. Nach Sol war er mit Nina zusammen, die nie Mutter werden wollte, es aber wurde. Nach Lottas Geburt versank sie in eine postnatale Depression, Njål verließ sie und nahm Lotta mit. Während es zwischen Nina und Njål zu einem Rosenkrieg vom Feinsten kommt, kommen sich Njål und Sol wieder näher. Alle drei wollen eines: Lotta!
Diese sehr spannende Geschichte lässt sich nur schwer beschreiben, denn die Verwicklungen sind schon komplex. Da ist einmal Nina, von Beruf Glaciologin, die nicht nur mit Njål um das Sorgerecht für ihre Tochter kämpft, sondern auch darum, wer von ihnen ein Forschungsprojekt auf Spitzbergen betreuen darf. Nina ist verletzlich, sehnt sich nach ihrer Tochter, kann aber im Grunde nicht viel mit ihr anfangen. Während Njål sie als unfähige, wenn nicht sogar für das Kind gefährliche Mutter darstellt, beschuldigt sie ihn indirekt des Kindesmissbrauchs.
Njål wiederum etabliert sich als Supervater. Überhaupt hat er so ein vertracktes Ding damit laufen, sein Sperma zu verteilen, da er, wie er öfters betont „nicht so ein Mann ist“ geht er nicht fremd, sondern spendet großzügig bei einer Samenbank. Überhaupt betont er gerne, dass er nicht so ein Mann ist. Meistens dann, wenn er gerade etwas getan hat, was „so ein Mann“ tun würde.
Sol nun ist Pastorin, allerdings ohne von sich zu behaupten Christin zu sein. Sie und Njål waren lange zusammen, verheiratet und haben mehrfach versucht ein Kind zu bekommen, doch es gab nur Fehlgeburten, was Sol schließlich in eine Depression abgleiten ließ und Njål zu Nina führte. Als sich nach der Trennung von Nina wieder zusammenkommen, kümmert sie sich um Lotta. Doch nachdem sie schwanger wird und sich entschließt, das Kind trotz Behinderung zu bekommen, verlässt Njål sie erneut und Nina und er wollen es noch einmal versuchen und auch gemeinsam das Forschungsproejkt auf Spitzbergen angehen.
Alle drei Personen, aus deren jeweiligen Perspektive die Geschichte erzählt wird, eint im Grunde nur eines. Sie wollen Lotta für sich haben und dafür gehen sie sehr weit.
Wütende Bärin ist kein typischer Thriller, aber ganz sicher ein spannendes, vielschichtiges Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann.
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Kristin Lavranstochter – Das Kreuz von Sigrid Undset
Der Kröner Verlag hat sich Sigrid Undsets Meisterwerk angenommen und es von Gabriele Haefs neu übersetzen lassen. Das Buch erschien nun, wie schon bei der Erstveröffentlichung in 3 Bänden. Das Kreuz ist der 3. Teil. Die Geschichte spielt im 14. Jahrhundert in Norwegen.
Teil 1: Der Kranz: Kristin Lavranstochter ertrotzt sich die Ehe mit Erlend Nikolausson, einem Ritter, der nicht gerade vor Ehrenhaftigkeit strotzt. Sie bricht ihr Verlöbnis mit Simon Darre, der ihr trotzdem freundschaftlich verbunden bleibt.
Teil 2: Die Frau: Kristin und Erlend leben nun auf Erlends Hof Husaby. Die Ehe der Beiden ist kein Tanz auf Rosen. Kristin sieht sich mit dem Haushalt eines großen Hofes, den illegetimen Kindern ihres Mannes aus einer früheren Beziehung und Erlends Unruhe, sowie einer Schwangerschaft nach der nächsten, überfordert. Schließlich wird Erlend des Landesverrats angeklagt. Simon Darre hilft den Beiden.
Teil 3: Das Kreuz: Nachdem Erlend dem Galgen entkommen ist, werden ihm das meiste seines Besitzes und seine Titel genommen. Die Familie lebt nun auf dem Jorundshof, Kristins Erbhof. In der Nachbarschaft sind sie nicht wohlgelitten. Erlend gilt als hochmütig und niemand hat Kristin verziehen was sie ihren Eltern zugemutet hat, um den Mann ihrer Wahl zu bekommen. Dazu kommt, Erlend ist kein Bauer und auch die meisten der 7 Söhne der Beiden, zeigen nicht viel Talent für die Leitung eines großen Hofes. Erlend schafft es schließlich auch sich mit dem letzten wohlgesinnten Menschen im Ort, Simon Darre, Kristins Exverlobten und Gatte von Kristins Schwester, zu überwerfen. Auch die Streitereien zwischen den Eheleuten nehmen zu und gehen schließlich so weit, dass Erlend den Jorundshof verläßt und sich auf seinen letzverbliebenen Besitz zurückzieht. Es gibt Versöhnungsversuche, doch erst als es üble Gerüchte um Kristin gibt, kommt Erlend zurück. Er stirbt im Kampf und Kristin lebt als Witwe auf dem Hof, der nun von einem der jüngeren Söhne geführt wird. Ihre anderen Kinder sind gestorben oder in die Welt hinausgezogen. Als Gaute, der nun Hofherr ist, heiratet, verlässt Kristin den Hof und zieht als Pfründnerin in ein Kloster. Denn kommt die Pest.
So die Handlung im Groben. Sigrid Undset erhielt 1928 für Kristin Lavranstochter den Literaturnobelpreis und wenn dieser jemals zu Recht vergeben wurde, denn in diesem Fall. Leben im 14. Jahrhundert, historische Fakten, Mode, Alltags, Kirchenrecht und lebendige Charaktere werden von der Autorin so geschickt verknüpft, dass man beim Lesen komplett versinkt und Zeit und Raum sich auflösen.
Dabei ist es nicht so, dass die Protagonistin dieses Werkes eine ist, die man bedingungslos mag. Meiner Meinung nach hat Sigrid Undset da eine ausgesprochen zickige Heldin geschaffen, die man, ebenso, wie ihren Erlend, so dann und wann einfach schütteln möchte. Doch genau das macht auch den Reiz aus. Es gibt kein „… und sie lebten glücklich und in Freuden“, nur ein „sie lebten“.
Gabriele Haefs Übersetzung ist so großartig, dass man vergisst, dass das Buch ursprünglich nicht in deutscher Sprache geschrieben wurde.
Kristin Lavranstocher – Das Kreuz, ISBN 978-3-520-62301-0, Preis 27,00 €
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Snowflake von Louise Nealon
Debbie White wächst auf einer Milchfarm in Kildare auf. Ihre Mutter ist mehr an Träumen, als am Alltagsleben interessiert, ihr Onkel Billie lebt in einem Wohnwagen auf dem Land. Einen Vater gibt es nicht. Billie meint an einer Stelle zu Debbie:
„Du kennst doch den Spruch, dass es ein Dorf braucht, um ein Kind aufzuziehen. Tja, in deinem Fall hat es ein Dorf gebraucht, um ein Kind zu zeugen. Jeder Mann, dem du hier über den Weg läufst könnte dein Vater sein.“
Snowflake (Seite 182)Billie ist es auch, der dafür sorgt, dass Debbie aufs College nach Dublin gehen kann. Dort tut sie sich zuerst sehr schwer. Sie ist eine der wenigen, die nicht in der Stadt leben, sondern pendeln. Schon am ersten Tag lernt sie Xanthe kennen, die alles zu sein scheint, was Debbie gerne wäre. Sie ist belesen, schön und beliebt. Trotz ihrer Unterschiede freunden sie sich an. Debbie beginnt sich ins Stadtleben zu stürzen, bis die Welt auf der Farm noch mehr aus den Fugen gerät.
Snowflake ist Louise Nealons erster Roman … und was für einer. Einerseits ist es eine Geschichte übers Erwachsenwerden … doch kaum ist man zu dem Schluss gekommen, stellt man fest, dass es das auch wieder nicht ist. Nicht nur. Weitere Themen sind: Wie weit stimmt meine Wahrnehmung des anderen? Sind Träume weniger real, als die Alltagswirklichkeit? Wie sehr bestimmt meine Familiengeschichte das heute? Auf alle Fälle ist es eines: Ein großartiges Buch! Eines mit Stellen an denen ich schallend gelacht habe und solchen, die so herzzerreißend sind, dass ich geweint habe. Kurz gesagt: Snowflake hat alles was einen guten Roman ausmacht.
Übersetzerin: Anna-Nina Kroll
Das Buch erscheint am 26.07.2022 im Mare Verlag.